Herz-Kreislauf-Erkrankung: 10-Jahres-Risiko (18 – 79 Jahre) (Risikoscores)

Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind verschiedene Erkrankungen des Herzens und der Blutgefäße. Bei gestörter Durchblutung des Herzens oder des Gehirns kann ein Herzinfarkt beziehungsweise ein Schlaganfall auftreten. Zahlreiche Faktoren beeinflussen das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, darunter das Alter oder die Ernährung. Das individuelle Risiko, in den nächsten 10 Jahren erstmals an einem Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erkranken (absolutes 10-Jahres Herz-Kreislauf-Erkrankungs-Risiko in Prozent), kann mit dem Herz-Kreislauf-Erkrankungs-Risiko-Test bei Personen ohne bekannten Herzinfarkt oder Schlaganfall bestimmt werden (Schiborn et al. 2021, DIfE 2024). Der Test fasst hierzu die Informationen zu verschiedenen Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen zusammen. Die nicht-klinische Testversion beruht allein auf erfragten Informationen.

Schon gewusst?

(Risikoscores)

11 von 100 Personen zwischen 65 und 79 Jahren werden in den nächsten 10 Jahren wahrscheinlich erstmals einen Herzinfarkt oder Schlaganfall erleiden.

(Risikoscores)

2 x Männer wiesen im Vergleich zu Frauen ein mehr als doppelt so hohes absolutes 10-Jahres-Herz-Kreislauf-Erkrankungs-Risiko auf.

(Risikoscores)

Personen der niedrigen Bildungsgruppe hatten ein mehr als doppelt so hohes Herz-Kreislauf-Erkrankungs-Risiko als Personen der mittleren und der hohen Bildungsgruppe.

Visualisierung

Darstellung
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Zeitverlauf

NachRegion

NachAlter

NachGechlecht

NachBildung

Ergebnis

In der 18- bis 79-jährigen Bevölkerung in Deutschland betrug das absolute 10-Jahres-Risiko für einen erstmaligen Herzinfarkt oder Schlaganfall insgesamt 1,6 % im Jahr 2022. Mit 2,5 % lag das Risiko bei Männern deutlich über dem bei Frauen (1,1 %). Bei beiden Geschlechtern stieg das absolute 10-Jahres-Herz-Kreislauf-Erkrankungs-Risiko mit dem Alter an. Bei 65- bis 79-Jährigen lag es bei insgesamt 10,8 % gegenüber 0,5 % bei 18- bis 44-Jährigen, wobei Männer in jeder Altersgruppe ein deutlich höheres Risiko hatten, in den nächsten 10 Jahren erstmals an einem Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erkranken als jeweils gleichaltrige Frauen. Sowohl Frauen als auch Männer der niedrigen Bildungsgruppe hatten jeweils ein mindestens doppelt so hohes absolutes 10-Jahres-Herz-Kreislauf-Erkrankungs-Risiko als Personen der mittleren bzw. oberen Bildungsgruppe.

Fazit

Um das Risiko für das erstmalige Auftreten von Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu bestimmen, existieren verschiedene Algorithmen, die sowohl unveränderbare Faktoren wie Alter und Geschlecht als auch veränderbare Faktoren des Lebensstils berücksichtigen. Mit dem Test des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke kann bei Erwachsenen das Risiko bestimmt werden, innerhalb der nächsten 10 Jahre erstmals an einem Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erkranken, ohne dass klinische Parameter mit einbezogen werden müssen. Insbesondere Männer und Personen der niedrigen Bildungsgruppe wiesen demnach ein hohes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen auf. Ziel ist es, das individuelle Erkrankungsrisiko zu senken und dafür neben verhaltens- verstärkt verhältnispräventive Maßnahmen einzusetzen. Strukturelle Veränderungen sind insbesondere für Menschen in sozial benachteiligten Lebensverhältnissen notwendig.

Methodik und Datenquellen

Definition

Der Indikator Herz-Kreislauf-Erkrankung: 10-Jahres-Risiko ist definiert als geometrischer Mittelwert des absoluten Risikos in der Bevölkerung ohne einen bereits bekannten Herzinfarkt oder Schlaganfall, in den nächsten 10 Jahren an einem Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erkranken, geschätzt durch den Deutschen Herz-Kreislauf-Erkrankungs-Risiko-Test und angegeben in Prozent (%).

Operationalisierung

Die Erfassung der Komponenten des Tests für das erstmalige Auftreten von Herzinfarkt oder Schlaganfall basiert auf Selbstangaben der Befragten. Die Berechnung der Punkte beruht auf folgenden Ausprägungen der Herz-Kreislauf-Erkrankungs-Risiko-Test-Komponenten:

GEDA 2022:

  • Alter (< 35, 35 – 39, 40 – 44, 45 – 49, 50 – 54, 55 – 59, 60 – 64, 65 – 69, 70 – 74, ≥ 75 Jahre)
  • Geschlecht (weiblich, männlich)
  • Taillenumfang (< 75, 75 – 79, 80 – 84, 85 – 89, 90 – 94, 95 – 99, 100 – 104, 105 – 109, 110 – 114, 115 – 119, ≥ 120 cm), der berechnet wurde basierend auf Selbstangaben zu Körpergewicht (kg), Körpergröße (cm), Alter (Jahre) und Geschlecht (Heidemann et al. 2019)
  • Rauchen (aktuell < 20 oder ≥ 20 Zigaretten/Tag, ehemals < 20 oder ≥ 20 Zigaretten/Tag, nie)
  • Hypertoniediagnose (ja, nein)
  • Diabetesdiagnose (ja, nein)
  • Herz-Kreislauf-Erkrankung bei leiblichen Eltern (nein oder nicht bekannt, ja – ein Elternteil, ja – beide Elternteile)
  • Herz-Kreislauf-Erkrankung bei mindestens einem leiblichen Geschwisterkind (nein oder nicht bekannt, ja)
  • Verzehr von Vollkornbrot/Müsli (0, 1, 2, 3, 4, > 4 Scheiben bzw. Portionen/Tag)
  • Verzehr von rotem Fleisch (nie oder selten, 1 – 2 mal/Woche, 3 – 4 mal/Woche, 5 – 6 mal/Woche, täglich, mehrmals täglich)
  • Kaffeekonsum (0 – 1, 2 – 5, > 5 Tassen/Tag)
  • Konsum zuckerhaltiger Erfrischungsgetränke (nie oder nicht täglich, 1-2, 3, 4, > 4 Gläser/Tag)
  • Verzehr von Pflanzenöl (0 – 0,5, > 0,5-1, > 1-2, > 2 Esslöffel/Tag)

Die Summe der Punkte wird zur Berechnung des absoluten 10-Jahres-Herz-Kreislauf-Erkrankungs-Risikos in Prozent herangezogen (Schiborn et al. 2021).

Bezugspopulation

Deutschsprachige Wohnbevölkerung von 18 bis 79 Jahren in Privathaushalten ohne bekannten Herzinfarkt oder Schlaganfall in Deutschland.

Datenquelle und Fallzahl

Die Ergebnisse basieren auf folgendem bundesweiten Befragungssurvey des Robert Koch-Instituts:

  • GEDA 2022:
    • telefonische Befragungen mit Festnetz und Mobilfunk, Erhebung unterteilt in Welle 1 bis 10 mit einem Basismodul und bis zu vier Fragebogenmodulen; N = 33.149 (relevante Teilstichprobe Welle 4 bis 10, Modul 2, N = 4.783 18- bis 79-Jährige ohne bisherige Herzinfarkt- oder Schlaganfalldiagnose)
    • gültige Werte aus Welle 4 bis 10, Modul 2, für den Indikator: n = 4.430

Datenqualität

Die RKI-Befragungssurveys liefern repräsentative Ergebnisse für die deutschsprachige Wohnbevölkerung Deutschlands ab 18 Jahren. Wie bei allen bevölkerungsbezogenen Studien ist davon auszugehen, dass einige Personengruppen unterrepräsentiert sind, wie Personen der niedrigen Bildungsgruppe, Menschen mit Migrationsgeschichte oder Menschen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen. Darüber hinaus basieren alle Informationen auf Selbstangaben und nicht auf ärztlichen Interviews.

Berechnung

  • Beschreibung und Stratifizierung: Für den Indikator werden die Kennzahlen für Gesamt sowie nach Geschlecht, Alter, Region und Bildung ausgewiesen. In den GEDA-Wellen 2009 bis 2014/2015-EHIS wurden die Teilnehmenden gefragt, ob sie männlich oder weiblich sind. Seit GEDA 2019/2020-EHIS werden das Geburtsgeschlecht und die geschlechtliche Identität erhoben (Pöge et al. 2022). In den Analysen nach Geschlecht werden Personen ausgewiesen, die sich als weiblich oder männlich identifizieren. Genderdiverse Menschen, die sich diesen Kategorien nicht zuordnen, werden aufgrund der geringen Fallzahl nicht gesondert ausgewiesen, sind jedoch in der Gesamt-Kategorie enthalten. Die Darstellung nach Region basiert auf dem Wohnort der Befragten. Der Bildungsstatus wird anhand des CASMIN-Indexes bestimmt (Brauns et al. 2003). Dieser verwendet Angaben zu schulischer und beruflicher Bildung und ermöglicht die Einteilung in eine niedrige, mittlere und hohe Bildungsgruppe.
  • Umgang mit unsicheren Werten: Voraussetzung für die stratifizierte Darstellung eines Indikators ist, dass die Fallzahl in der Gruppe mindestens 5 beträgt und die statistische Unsicherheit in der Schätzung der Kennziffer als akzeptabel angesehen wird (Konfidenzintervall schmaler als 25 Prozentpunkte und Variationskoeffizient ≤ 33,5 %). Letzteres bedeutet, dass die untere Grenze des Konfidenzintervalls mindestens die Hälfte des Schätzers betragen muss. Sind diese Kriterien nicht erfüllt, werden die Werte nicht berichtet („zu wenige Daten“). Berichtet, jedoch als unsicher markiert, werden Werte, die auf weniger als 10 Fällen basieren, deren Konfidenzintervall breiter als 20 Prozentpunkte ist oder wenn die Untergrenze weniger als ⅔ des Schätzers beträgt (Variationskoeffizient ≤ 16,6 %). Aufgrund der Unsicherheit sollten diese Werte mit Vorsicht interpretiert werden.
  • Gewichtung: Um Abweichungen der Surveys von der zugrundeliegenden Bezugspopulation durch unterschiedliche Teilnahmebereitschaft oder Auswahlwahrscheinlichkeit zu korrigieren, wurde für die Berechnung des Indikators in jedem Survey ein Gewichtungsfaktor verwendet. Diese berücksichtigen die Ziehungswahrscheinlichkeit der Teilnehmenden und passen außerdem die Surveys an die Bevölkerungsstruktur Deutschlands hinsichtlich Geschlecht, Alter, Bundesland und Bildung an. Dabei wurden die Daten des Statistischen Bundesamts zum Stichtag 31.12.2021 (GEDA 2022) verwendet. Die Bildungsverteilung wurde dem Mikrozensus 2018 entnommen.
  • Altersstandardisierung: Eine Standardisierung nach Alter und Geschlecht wurde innerhalb der Bundesländer sowie innerhalb der Bildungsgruppen durchgeführt. Dazu wurde die europäische Standardbevölkerung 2013 verwendet. Es werden sowohl die Ergebnisse mit als auch die Ergebnisse ohne Altersstandardisierung ausgewiesen. Die Ergebnisse ohne Altersstandardisierung bilden die tatsächliche Alters- und Geschlechtsverteilung innerhalb der Bundesländer bzw. Bildungsgruppen ab und sind damit zum Beispiel geeignet, um Fragen des Versorgungsbedarfs zu beantworten. Bei den Ergebnissen mit Altersstandardisierung sind die Bundesländer und die Bildungsgruppen hinsichtlich Alter und Geschlecht vergleichbar. Dadurch können Unterschiede aufgezeigt werden, die sich nicht durch Alter und Geschlecht erklären lassen.
  • Berechnung:
    • Konfidenzintervalle: Die zufallsbedingte Variabilität der Ergebnisse kann den 95 %-Konfidenzintervallen in den Tabellen und Abbildungen entnommen werden. Die Konfidenzintervalle wurden mit der Logit-Methode berechnet. Dabei wurde die Streuung der Gewichtungsfaktoren berücksichtigt.

Weiterführende Links

Publikationen zum Thema

Regionale Unterschiede in der Prävalenz von kardiovaskulären Risikofaktoren bei Männern und Frauen in Deutschland

21.12.2016, Fachartikel, Deutsch

Hintergrund: Über die Hälfte aller kardiovaskulären Erkrankungen wird von acht zum Teil vermeidbaren Risikofaktoren verursacht.

Ziele: Angesichts deutlicher Prävalenz- und Mortalitätsunterschiede bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen zwischen den deutschen Bundesländern wird die regionale Verteilung von kardiovaskulären Risikofaktoren bevölkerungsrepräsentativ und geschlechtsspezifisch untersucht.