Einschränkungen in instrumentellen Aktivitäten des täglichen Lebens (ab 65 Jahre) (Funktionseinschränkungen)

Eine Aktivitätseinschränkung gemäß der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) ist die Schwierigkeit oder Unfähigkeit, eine bestimmte Aktivität auszuführen. Die instrumentellen Aktivitäten des täglichen Lebens (iADL) erfassen dabei Einschränkungen in Aktivitäten zur selbständigen Versorgung im eigenen Haushalt. Dieses Konzept umfasst unter anderem Tätigkeiten wie Zubereitung von Mahlzeiten, Telefonieren, Wohnungsreinigung, Einkaufen oder Regelung finanzieller Angelegenheiten (Lawton und Brody 1969). Die iADL erfassen Funktionseinschränkungen unabhängig vom sonstigen Gesundheitszustand und geben Aufschluss über die Fähigkeit von Personen, ihren Alltagsanforderungen nachzukommen. Die Ausübung dieser Tätigkeiten sind jedoch abhängig von gesellschaftlich definierten sozialen Rollenvorgaben in der Verteilung der Hausarbeit. Einschränkungen in den iADL gehen mit verschiedenen gesundheitlichen Folgen einher, nicht zuletzt mit einer erhöhten Mortalität älterer Menschen (Hennessy et al. 2015).

Schon gewusst?

(Funktionseinschränkungen)

16,2 % der Personen ab 65 Jahren waren im Jahr 2019 von einer Einschränkung der instrumentellen Aktivitäten des täglichen Lebens betroffen.

(Funktionseinschränkungen)

3 x Personen ab 80 Jahren hatten dreimal so häufig Einschränkungen in den instrumentellen Alltagsaktivitäten wie 65- bis 79-Jährige.

(Funktionseinschränkungen)

Im Vergleich zu Männern waren Frauen fast doppelt so häufig in den instrumentellen Alltagsaktivitäten eingeschränkt.

Visualisierung

Darstellung
Geschlecht

Zeitverlauf

NachRegion

NachAlter

NachGechlecht

NachBildung

Ergebnis

Im Jahr 2019 berichteten in Deutschland 16,2 % der Menschen ab 65 Jahren, dass sie bei der Ausübung von instrumentellen Aktivitäten des täglichen Lebens, das heißt Tätigkeiten bei der Erledigung des Haushalts, eingeschränkt sind. Frauen waren mit 20,1 % häufiger betroffen als Männer (11,3 %) und hochaltrige Personen ab 80 Jahren mit 30,1 % häufiger als 65- bis 79-Jährige (10,1 %). Personen der niedrigen (19,0 %) und der mittleren Bildungsgruppe (14,8 %) waren häufiger bei der Ausübung von instrumentellen Aktivitäten des täglichen Lebens eingeschränkt als Personen der hohen Bildungsgruppe (8,6 %). Dieser Bildungsgradient erklärt sich primär durch bedeutsame Unterschiede zwischen den Bildungsgruppen bei Frauen, während bei Männern keine bedeutsamen Unterschiede zwischen den Bildungsgruppen festzustellen waren. Der Anteil variierte zwischen den Regionen und lag im Süden niedriger und in der Region Mitte-West höher als im Bundesdurchschnitt. Seit 2014 ist die Prävalenz dieser Einschränkungen bei den über 65-Jährigen insgesamt stabil; für die Untergruppe der Frauen ab 80 Jahren zeigt sich ein Rückgang, der unter Umständen einem Methodenwechsel geschuldet ist.

Fazit

Einschränkungen bei der Ausübung von instrumentellen Aktivitäten des täglichen Lebens betrafen vor allem Frauen, hochaltrige Personen ab 80 Jahren und Personen der niedrigen und mittleren Bildungsgruppe. Dies stimmt mit den Ergebnissen aus anderen europäischen Ländern überein (Portela et al. 2020). Hier werden Versorgungs- und Unterstützungsbedarfe für die Bereitstellung von Präventions- und Rehabilitationsangeboten deutlich, um für ältere Menschen ein längeres selbstständiges Wohnen und Leben möglichst in der eigenen Häuslichkeit zu erreichen. Im Kontext des demografischen Wandels hat dies besondere Bedeutung.

Der Rückgang von Einschränkungen in der Ausübung von instrumentellen Aktivitäten bei Frauen ab 80 Jahren sollte mit Vorsicht interpretiert werden, da dies aufgrund von unterschiedlichen Erhebungsmethoden höchstwahrscheinlich methodisch bedingt ist. So könnten die Teilnahmebarrieren für Personen mit Einschränkungen in instrumentellen Aktivitäten in der Erhebung von 2014 durch die schriftliche Einladung mit Übersendung eines Fragebogens insgesamt niedriger gewesen sein als durch die telefonische Rekrutierung für ein Telefoninterview im Jahr 2019, sodass in der früheren Erhebung mehr Personen mit Einschränkungen teilgenommen haben könnten. Auf Basis der bundesweiten Studie Gesundheit 65+ ist eher davon auszugehen, dass auch bei Personen ab 80 Jahren die Prävalenzraten für Einschränkungen in iADL in den Jahren 2021/2022 stabil geblieben sind, sowohl bei Frauen (48,7 %) als auch bei Männern (29,7 %) (Gaertner et al. 2023).

Methodik und Datenquellen

Definition

Der Indikator Einschränkungen in instrumentellen Aktivitäten des täglichen Lebens ist definiert als der Anteil der Personen ab 65 Jahren, die zum Beispiel beim Erledigen der Hausarbeit oder beim Einkaufen große Schwierigkeiten haben oder dazu nicht in der Lage sind.

Operationalisierung

Die Erfassung von Einschränkungen in instrumentellen Aktivitäten des täglichen Lebens basiert auf Selbstangaben der Befragten:

GEDA 2014/2015-EHIS

  • „Wenn Sie 65 Jahre oder älter sind, denken Sie nun an Tätigkeiten bei der Erledigung des Haushalts. Bitte lassen Sie alle vorübergehenden Probleme außer Acht. Haben Sie normalerwiese Schwierigkeiten, eine dieser Tätigkeiten ohne Hilfe auszuführen?“
    • „Mahlzeiten zubereiten“
    • „Das Telefon benutzen“
    • „Einkäufe erledigen“
    • „Medikamenteneinnahme organisieren“
    • „Leichte Hausarbeit erledigen“
    • „Gelegentlich schwere Hausarbeit erledigen“
    • „Organisation finanzieller und alltäglicher Verwaltungsangelegenheiten“
  • Antwortmöglichkeiten jeweils: „Keine Schwierigkeiten“, „Einige Schwierigkeiten“, „Große Schwierigkeiten“, „Es ist mir nicht möglich/Ich bin dazu nicht in der Lage“, „Nicht zutreffend (habe ich nie versucht bzw. getan)“

GEDA 2019/2020-EHIS

  • „Denken Sie nun an Tätigkeiten bei der Erledigung des Haushalts. Bitte lassen Sie alle vorübergehenden Probleme außer Acht. Haben Sie normalerwiese Schwierigkeiten, eine dieser Tätigkeiten ohne Hilfe auszuführen?“
    • „Mahlzeiten zubereiten“
    • „Das Telefon benutzen“
    • „Einkäufe erledigen“
    • „Medikamenteneinnahme organisieren“
    • „Leichte Hausarbeit erledigen“
    • „Gelegentlich schwere Hausarbeit erledigen“
    • „Organisation finanzieller und alltäglicher Verwaltungsangelegenheiten“
  • Antwortmöglichkeiten jeweils: „Keine“, „Einige“, „Große Schwierigkeiten“, „Es ist mir nicht möglich“, „Habe ich nie versucht bzw. getan.“

Eine Einschränkung in den instrumentellen Aktivitäten des täglichen Lebens besteht, wenn bei mindestens einer der sieben Tätigkeiten große Schwierigkeiten bestehen, diese ohne Hilfe auszuführen oder eine Ausübung gar nicht möglich ist.

Bezugspopulation

Deutschsprachige Wohnbevölkerung in Privathaushalten ab 65 Jahren in Deutschland.

Datenquelle und Fallzahl

Die Ergebnisse basieren auf folgenden bundesweiten Befragungssurveys des Robert Koch-Instituts:

  • GEDA 2014/2015-EHIS:
    • webbasierte und schriftliche Befragungen auf der Basis einer Einwohnermeldeamtsstichprobe, N = 24.016
    • gültige Werte für den Indikator: n = 5.618 Personen ab 65 Jahren
  • GEDA 2019/2020-EHIS:
    • telefonische Befragungen mit Festnetz und Mobilfunk, N = 23.001
    • gültige Werte für den Indikator: n = 7.857 Personen ab 65 Jahren

Datenqualität

Die RKI-Befragungssurveys liefern repräsentative Ergebnisse für die deutschsprachige Wohnbevölkerung Deutschlands ab 18 Jahren in Privathaushalten. Wie bei allen bevölkerungsbezogenen Studien ist davon auszugehen, dass einige Personengruppen unterrepräsentiert sind, wie Personen der niedrigen Bildungsgruppe, Menschen mit Migrationsgeschichte und Menschen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen, oder dass sie von der Teilnahme ausgeschlossen wurden, wie zum Beispiel Personen mit eingeschränkter Auskunfts- und Einwilligungsfähigkeit oder die in Pflegeheimen leben. Dadurch könnte die tatsächliche Verbreitung der iADL-Einschränkungen in Deutschland höher sein. 

Darüber hinaus basieren alle Informationen auf Selbstangaben und nicht auf ärztlichen Interviews. Zeitvergleiche der Ergebnisse zwischen GEDA 2014/2015-EHIS und den anderen Wellen sollten aufgrund von Unterschieden in der Stichprobenziehung sowie Unterschieden im Erhebungsmodus vorsichtig interpretiert werden. So war eine Teilnahme von Personen mit größeren Schwierigkeiten beim Telefonieren in GEDA 2014/2015-EHIS anhand des schriftlichen Fragebogens im Gegensatz zu GEDA 2019/2020-EHIS anhand des Telefoninterviews wahrscheinlich leichter möglich.

Berechnung

  • Beschreibung und Stratifizierung: Für den Indikator werden die Kennzahlen für Gesamt sowie nach Geschlecht, Alter, Region und Bildung ausgewiesen. In den GEDA-Wellen 2009 bis 2014/2015-EHIS wurden die Teilnehmenden gefragt, ob sie männlich oder weiblich sind. Seit GEDA 2019/2020-EHIS werden das Geburtsgeschlecht und die geschlechtliche Identität erhoben (Pöge et al. 2022). In den Analysen nach Geschlecht werden Personen ausgewiesen, die sich als weiblich oder männlich identifizieren. Genderdiverse Menschen, die sich diesen Kategorien nicht zuordnen, werden aufgrund der geringen Fallzahl nicht gesondert ausgewiesen, sind jedoch in der Gesamt-Kategorie enthalten. Die Darstellung nach Region basiert auf dem Wohnort der Befragten. Der Bildungsstatus wird anhand des CASMIN-Indexes bestimmt (Brauns et al. 2003). Dieser verwendet Angaben zu schulischer und beruflicher Bildung und ermöglicht die Einteilung in eine niedrige, mittlere und hohe Bildungsgruppe.
  • Umgang mit unsicheren Werten: Voraussetzung für die stratifizierte Darstellung eines Indikators ist, dass die Fallzahl in der Gruppe mindestens 5 beträgt und die statistische Unsicherheit in der Schätzung der Kennziffer als akzeptabel angesehen wird (Konfidenzintervall schmaler als 25 Prozentpunkte und Variationskoeffizient ≤ 33,5 %). Letzteres bedeutet, dass die untere Grenze des Konfidenzintervalls mindestens die Hälfte des Schätzers betragen muss. Sind diese Kriterien nicht erfüllt, werden die Werte nicht berichtet („zu wenige Daten“). Berichtet, jedoch als unsicher markiert, werden Werte, die auf weniger als 10 Fällen basieren, deren Konfidenzintervall breiter als 20 Prozentpunkte ist oder wenn die Untergrenze weniger als ⅔ des Schätzers beträgt (Variationskoeffizient ≤ 16,6 %). Aufgrund der Unsicherheit sollten diese Werte mit Vorsicht interpretiert werden.
  • Gewichtung: Um Abweichungen der Surveys von der zugrundeliegenden Bezugspopulation durch unterschiedliche Teilnahmebereitschaft oder Auswahlwahrscheinlichkeit zu korrigieren, wurde für die Berechnung des Indikators in jedem Survey ein Gewichtungsfaktor verwendet. Diese berücksichtigen die Ziehungswahrscheinlichkeit der Teilnehmenden und passen außerdem die Surveys an die Bevölkerungsstruktur Deutschlands hinsichtlich Geschlecht, Alter, Bundesland und Bildung an. In GEDA 2019/2020-EHIS wurde zusätzlich die regionale Siedlungsstruktur (Kreistyp) berücksichtigt. Dabei wurden die Daten des Statistischen Bundesamts zum Stichtag 31.12.2014 (GEDA 2014/2015-EHIS) und 31.12.2019 (GEDA 2019/2020-EHIS) verwendet. Die Bildungsverteilung wurde dem Mikrozensus 2013 (GEDA 2014/2015-EHIS) und 2017 (GEDA 2019/2020-EHIS) entnommen.
  • Altersstandardisierung: Eine Standardisierung nach Alter und Geschlecht wurde innerhalb der Regionen sowie innerhalb der Bildungsgruppen durchgeführt. Dazu wurde die europäische Standardbevölkerung 2013 verwendet. Es werden sowohl die Ergebnisse mit als auch die Ergebnisse ohne Altersstandardisierung ausgewiesen. Die Ergebnisse ohne Altersstandardisierung bilden die tatsächliche Alters- und Geschlechtsverteilung innerhalb der Regionen bzw. Bildungsgruppen ab und sind damit zum Beispiel geeignet, um Fragen des Versorgungsbedarfs zu beantworten. Bei den Ergebnissen mit Altersstandardisierung sind die Regionen und die Bildungsgruppen hinsichtlich Alter und Geschlecht vergleichbar. Dadurch können Unterschiede aufgezeigt werden, die sich nicht durch Alter und Geschlecht erklären lassen.
  • Konfidenzintervalle: Die zufallsbedingte Variabilität der Ergebnisse kann den 95 %-Konfidenzintervallen in den Tabellen und Abbildungen entnommen werden. Die Konfidenzintervalle wurden mit der Logit-Methode berechnet. Dabei wurde die Streuung der Gewichtungsfaktoren berücksichtigt.
  • Regionale Unterschiede: Statistisch signifikante Unterschiede zwischen den Regionen und dem Bundesdurchschnitt wurden mittels Chi-Quadrat-Test unter Adjustierung für multiples Testen ermittelt. Dabei wurden die einzelnen Regionen im Vergleich zu den jeweils verbleibenden Regionen (zusammengefasst) getestet. Die Einteilung in der Karte erfolgt anhand von fünf äquidistanten Kategorien.  

Weiterführende Links

Publikationen zum Thema

Gesundheitliche Lage älterer und hochaltriger Menschen in Deutschland: Ergebnisse der Studie Gesundheit 65+

20.09.2023, Journal of Health Monitoring, Deutsch

Hintergrund: Aufgrund des demografischen Wandels ist eine umfassende Gesundheitsberichterstattung zur Gesundheit im höheren Alter wichtig.

Methode: Gesundheit 65+ ist eine epidemiologische Längsschnittstudie zur gesundheitlichen Lage der Personen ab 65 Jahren in Deutschland. Auf Grundlage einer zweistufigen, geschichteten Zufallsstichprobe aus 128 Einwohnermeldeämtern nahmen zwischen Juni 2021 …

Einschränkungen bei Alltagsaktivitäten und Unterstützungsbedarfe – Auswertungen der Studie GEDA 2019/2020-EHIS

30.03.2022, Journal of Health Monitoring, Deutsch

Die Ausübung von Aktivitäten des täglichen Lebens ist ein wichtiger Bestandteil der Funktionsfähigkeit eines Menschen. Falls Einschränkungen vorliegen, ist Unterstützung bei diesen Tätigkeiten erforderlich. Anhand von Daten der Studie GEDA 2019/2020-EHIS wird dargestellt, wie viele der in Privathaushalten lebenden Personen ab 55 Jahren in Deutschland Einschränkungen in Alltagsaktivitäten aufweisen.

Einschränkungen in Aktivitäten des täglichen Lebens im Alter – Ergebnisse des European Health Interview Survey (EHIS) 2

11.12.2019, Journal of Health Monitoring, Deutsch

Zur Beschreibung der gesundheitlichen Lage älterer Menschen in Deutschland im Vergleich zu den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) dienen unter anderem Informationen zur Verbreitung von Einschränkungen in Aktivitäten des täglichen Lebens. Dazu zählen Einschränkungen in basalen Aktivitäten (activities of daily living, ADL) wie der Nahrungsaufnahme und instrumentellen Aktivitäten des …