Unfallverletzungen (ab 18 Jahre) (Unfälle)

Die Vermeidung von Unfällen hat große Bedeutung, sowohl für die Betroffenen und ihre Familien als auch gesamtgesellschaftlich. Nach Schätzungen der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin verletzen sich jährlich etwa 9 Millionen Menschen bei Unfällen (letzte Schätzung von 2015). Im Jahr 2022 wurden in Deutschland mehr als 32.000 Menschen bei Unfällen getötet (ICD-10: V01 – X59) (Destatis 2024). Das Unfallgeschehen in Deutschland lässt sich auf der Basis amtlicher Statistiken nur unvollständig abbilden, eine gesetzliche Grundlage für die Erfassung gibt es nur für einige Bereiche, zum Beispiel Arbeits- und Verkehrsunfälle. Im Europäischen Gesundheitssurvey (European Health Interview Survey, EHIS) wird alle fünf Jahre erfragt, ob die Teilnehmenden in den letzten 12 Monaten Unfallverletzungen im Verkehr, zu Hause und in der Freizeit erlitten haben. Damit ergibt sich ein Überblick über die Situation in Deutschland. Hinweise auf gefährdete Personengruppen und Orte können abgeleitet werden, denn: Ein Unfall ist kein Zufall.

Schon gewusst?

(Unfälle)

12,7 % der Erwachsenen hatten im Jahr 2019 innerhalb von 12 Monaten eine Unfallverletzung durch einen Unfall im Verkehr, zu Hause oder in der Freizeit.

(Unfälle)

24,6 % der Männer zwischen 18 und 29 Jahren hatten einen Unfall; Männer haben ein höheres Unfallrisiko als Frauen.

(Unfälle)

7,7 % der Erwachsenen sind in der Freizeit verunfallt; Freizeitunfälle sind damit häufiger als Unfälle zu Hause oder im Verkehr.

Visualisierung

Darstellung
Geschlecht

Zeitverlauf

NachRegion

NachAlter

NachGechlecht

NachBildung

Ergebnis

Im Jahr 2019 berichteten in Deutschland 12,7 % der Erwachsenen von mindestens einer Unfallverletzung in den letzten 12 Monaten (Frauen: 12,1 %; Männer: 13,1 %). Freizeitunfälle (7,7 %) waren am häufigsten vor Unfällen zu Hause (5,1 %; Frauen: 5,7 %; Männer: 4,5 %) und Unfällen im Verkehr (2,1 %). Bei Verkehrsunfällen (Frauen: 1,6 %; Männer: 2,6 %) und bei Freizeitunfällen zeigte sich ein deutlicher Geschlechterunterschied. Bei Freizeitunfällen ist der Unterschied besonders groß: Mit 8,9 % waren Männer deutlich häufiger betroffen als Frauen (6,4 %). Die höchste Unfallprävalenz wurde bei jungen Männern beobachtet: Ein Viertel der 18- bis 29-Jährigen (24,6 %) berichtete mindestens eine Unfallverletzung in den letzten 12 Monaten. Bei den gleichaltrigen Frauen waren es 17,0 %. Mit zunehmendem Alter sanken die Unfallprävalenzen und stiegen in der Altersgruppe ab 80 Jahren wieder an. Bei Frauen wurde mit einer Prävalenz von 17,1 % bei den 80-Jährigen und Älteren das Niveau der jüngsten Altersgruppe erreicht. Freizeitunfälle wurden von der jüngsten Altersgruppe häufiger berichtet: Die höchste Prävalenz zeigte sich bei 18- bis 29-jährigen Männern (19,6 %). Unfälle zu Hause waren im Alter häufiger: Die höchsten Werte wurden bei den 80-jährigen und älteren Frauen beobachtet (12,9 %). Bildungsunterschiede zeigten sich lediglich bei Unfällen zu Hause und bei Freizeitunfällen, die unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Altersstruktur in den Bildungsgruppen nicht bestehen blieben. Zwischen den Bundesländern zeigten sich keine bedeutsamen Unterschiede in der Unfallprävalenz. Im Vergleich der beiden Erhebungszeitpunkte 2014 und 2019 ist die Unfallprävalenz um fast 2 Prozentpunkte gesunken.

Fazit

Fast jede achte Person in Deutschland hatte innerhalb von 12 Monaten eine Unfallverletzung (oder mehrere). Es zeigten sich deutliche alters- und geschlechterbezogene Unterschiede: Bei den jungen Männern war jeder Vierte unfallverletzt. Drei Viertel aller Unfallverletzungen ziehen ambulante Versorgung oder einen Krankenhausaufenthalt nach sich (Sass und Kuhnert 2022). Arbeitsausfälle, längerfristige Einschränkungen bis hin zur Schwerbehinderung können resultieren. Während es in Deutschland für Arbeits- und Verkehrsunfälle ein differenziertes Erfassungssystem und etablierte Strukturen für die Prävention gibt, sind Unfälle zu Hause oder in der Freizeit meist „Privatsache“ – mit zum Teil schlimmen Folgen. Die Erkenntnisse der Unfallforschung und die Ergebnisse der Unfallprävention zeigen, dass ein großer Teil der tödlichen und der nichttödlichen Unfälle vermeidbar sind (WHO 2022). Das Monitoring von Eckdaten des Unfallgeschehens ist ein erster wichtiger Schritt für die Stärkung der Unfallprävention in Deutschland

Methodik und Datenquellen

Definition

Der Indikator Unfallverletzungen ist definiert als Anteil der Erwachsenen mit mindestens einer Unfallverletzung im Verkehr, zu Hause oder in der Freizeit in den letzten 12 Monaten. Ob eine medizinische Versorgung erfolgte, spielt keine Rolle.

Operationalisierung

Die Erfassung von Unfallverletzungen basiert auf Selbstangaben der Befragten:

GEDA 2014/2015-EHIS und GEDA 2019/2020-EHIS

  • „Hatten Sie in den letzten 12 Monaten eine Verletzung aufgrund einer der folgenden Unfälle?“ (Interviewerhinweis: Auch gemeint sind Verletzungen verursacht durch Vergiftungen, durch Tiere, auch Insekten. Nicht gemeint sind willentliche Verletzungen durch andere Personen.)
    • „Verkehrsunfall“
    • „Unfall zu Hause“
    • „Freizeitunfall“
  • Antwortmöglichkeiten jeweils: „Ja“, „Nein“

Bezugspopulation

Deutschsprachige Wohnbevölkerung in Privathaushalten ab 18 Jahren in Deutschland.

Datenquelle und Fallzahl

Die Ergebnisse basieren auf folgenden bundesweiten Befragungssurveys des Robert Koch-Instituts:

  • GEDA 2014/2015-EHIS:
    • webbasierte und schriftliche Befragungen auf der Basis einer Einwohnermeldeamtsstichprobe, N = 24.016
    • gültige Werte für den Indikator: n = 23.641 (Gesamt), n = 23.236 (Verkehrsunfall), n =23.317 (Unfall zu Hause), n =23.405 (Freizeitunfall)
  • GEDA 2019/2020-EHIS:
    • telefonische Befragungen mit Festnetz und Mobilfunk, N = 23.001
    • gültige Werte für den Indikator: n = 22.700 (Gesamt), n = 22.704 (Verkehrsunfall), n = 22.701 (Unfall zu Hause), n = 22.702 (Freizeitunfall)

Datenqualität

Die RKI-Befragungssurveys liefern repräsentative Ergebnisse für die deutschsprachige Wohnbevölkerung Deutschlands ab 18 Jahren in Privathaushalten. Wie bei allen bevölkerungsbezogenen Studien ist davon auszugehen, dass einige Personengruppen unterrepräsentiert sind, wie Personen der niedrigen Bildungsgruppe, Menschen mit Migrationsgeschichte oder Menschen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen. Darüber hinaus basieren alle Informationen auf Selbstangaben und nicht auf ärztlichen Interviews. Zeitvergleiche der Ergebnisse zwischen der GEDA-Welle 2014/2015-EHIS und den übrigen Wellen sollten aufgrund von Unterschieden in der Stichprobenziehung sowie Unterschieden im Erhebungsmodus vorsichtig interpretiert werden.

Weiterführende Links

Berechnung

  • Beschreibung und Stratifizierung: Für den Indikator werden die Kennzahlen für Gesamt sowie nach Geschlecht, Alter, Bundesland und Bildung ausgewiesen. In den GEDA-Wellen 2009 bis 2014/2015-EHIS wurden die Teilnehmenden gefragt, ob sie männlich oder weiblich sind. Seit GEDA 2019/2020-EHIS werden das Geburtsgeschlecht und die geschlechtliche Identität erhoben (Pöge et al. 2022). In den Analysen nach Geschlecht werden Personen ausgewiesen, die sich als weiblich oder männlich identifizieren. Genderdiverse Menschen, die sich diesen Kategorien nicht zuordnen, werden aufgrund der geringen Fallzahl nicht gesondert ausgewiesen, sind jedoch in der Gesamt-Kategorie enthalten. Die Darstellung nach Bundesland basiert auf dem Wohnort der Befragten. Der Bildungsstatus wird anhand des CASMIN-Indexes bestimmt (Brauns et al. 2003). Dieser verwendet Angaben zu schulischer und beruflicher Bildung und ermöglicht die Einteilung in eine niedrige, mittlere und hohe Bildungsgruppe.
  • Umgang mit unsicheren Werten: Voraussetzung für die stratifizierte Darstellung eines Indikators ist, dass die Fallzahl in der Gruppe mindestens 5 beträgt und die statistische Unsicherheit in der Schätzung der Kennziffer als akzeptabel angesehen wird (Konfidenzintervall schmaler als 25 Prozentpunkte und Variationskoeffizient ≤ 33,5 %). Letzteres bedeutet, dass die untere Grenze des Konfidenzintervalls mindestens die Hälfte des Schätzers betragen muss. Sind diese Kriterien nicht erfüllt, werden die Werte nicht berichtet („zu wenige Daten“). Berichtet, jedoch als unsicher markiert, werden Werte, die auf weniger als 10 Fällen basieren, deren Konfidenzintervall breiter als 20 Prozentpunkte ist oder wenn die Untergrenze weniger als ⅔ des Schätzers beträgt (Variationskoeffizient ≤ 16,6 %). Aufgrund der Unsicherheit sollten diese Werte mit Vorsicht interpretiert werden.
  • Gewichtung: Um Abweichungen der Surveys von der zugrundeliegenden Bezugspopulation durch unterschiedliche Teilnahmebereitschaft oder Auswahlwahrscheinlichkeit zu korrigieren, wurde für die Berechnung des Indikators in jedem Survey ein Gewichtungsfaktor verwendet. Diese berücksichtigen die Ziehungswahrscheinlichkeit der Teilnehmenden und passen außerdem die Surveys an die Bevölkerungsstruktur Deutschlands hinsichtlich Geschlecht, Alter, Bundesland und Bildung an. In GEDA 2019/2020-EHIS wurde zusätzlich die regionale Siedlungsstruktur (Kreistyp) berücksichtigt. Dabei wurden die Daten des Statistischen Bundesamts zum Stichtag 31.12.2014 (GEDA 2014/2015-EHIS) und 31.12.2019 (GEDA 2019/2020-EHIS) 2023) verwendet. Die Bildungsverteilung wurde dem Mikrozensus 2013 (GEDA 2014/2015-EHIS) und 2017 (GEDA 2019/2020-EHIS) entnommen.
  • Altersstandardisierung: Eine Standardisierung nach Alter und Geschlecht wurde innerhalb der Bundesländer sowie innerhalb der Bildungsgruppen durchgeführt. Dazu wurde die europäische Standardbevölkerung 2013 verwendet. Es werden sowohl die Ergebnisse mit als auch die Ergebnisse ohne Altersstandardisierung ausgewiesen. Die Ergebnisse ohne Altersstandardisierung bilden die tatsächliche Alters- und Geschlechtsverteilung innerhalb der Bundesländer bzw. Bildungsgruppen ab und sind damit zum Beispiel geeignet, um Fragen des Versorgungsbedarfs zu beantworten. Bei den Ergebnissen mit Altersstandardisierung sind die Bundesländer und die Bildungsgruppen hinsichtlich Alter und Geschlecht vergleichbar. Dadurch können Unterschiede aufgezeigt werden, die sich nicht durch Alter und Geschlecht erklären lassen.
  • Berechnung:
    • Konfidenzintervalle: Die zufallsbedingte Variabilität der Ergebnisse kann den 95 %-Konfidenzintervallen in den Tabellen und Abbildungen entnommen werden. Die Konfidenzintervalle wurden mit der Logit-Methode berechnet. Dabei wurde die Streuung der Gewichtungsfaktoren berücksichtigt.
    • Regionale Unterschiede: Statistisch signifikante Unterschiede zwischen den Bundesländern und dem Bundesdurchschnitt wurden mittels Chi-Quadrat-Test unter Adjustierung für multiples Testen ermittelt. Dabei wurden die einzelnen Bundesländer im Vergleich zu den jeweils verbleibenden Bundesländern (zusammengefasst) getestet. Die Einteilung in der Karte erfolgt anhand von fünf äquidistanten Kategorien.  

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