Angstsymptome: Prävalenz (ab 18 Jahre) (Angststörungen)

Angst und die sie begleitenden körperlichen und psychischen Reaktionen machen Menschen wachsam und handlungsbereit, um akute Bedrohungs- oder Stresssituationen besser bewältigen zu können. Wenn Ängste, Sorgen oder Befürchtungen jedoch angesichts der realen Bedrohung unverhältnismäßig, langandauernd und stark beeinträchtigend sind, werden sie als Angststörung beschrieben. Je nach Auslöser und Art der Angstreaktion werden unter anderem Panikstörung, soziale Phobie und generalisierte Angststörung unterschieden. Die Krankheitslast von Angststörungen wird aufgrund von hoher Prävalenz und Chronifizierungsrisiko, häufiger Komorbidität (insbesondere mit Depressionen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen) und vermehrter Sterblichkeit als hoch eingeschätzt (Yang et al. 2021, WHO 2023).

Die Verbreitung der Angstsymptome „Nervosität, Ängstlichkeit oder Anspannung“ und „unkontrollierbare Sorgen“ in der Bevölkerung wird per Fragebogen erfasst. Damit kann eine auffällige Belastung durch zwei Angstsymptome festgestellt werden, jedoch aufgrund fehlender Ein- und Ausschlussdiagnostik keine Angststörung gemäß klinischen Standards.

Schon gewusst?

(Angststörungen)

13,1 % der Erwachsenen berichteten im Jahr 2023 eine auffällige Belastung durch Angstsymptome.

(Angststörungen)

1 von 4 Etwa jede vierte Frau zwischen 18 und 29 Jahren war auffällig durch Angstsymptome belastet.

(Angststörungen)

Eine auffällige Belastung durch Angstsymptome wurde in der niedrigen Bildungsgruppe etwa doppelt so häufig berichtet wie in der hohen Bildungsgruppe.

Visualisierung

Darstellung
Geschlecht

Zeitverlauf

NachRegion

NachAlter

NachGechlecht

NachBildung

Ergebnis

Im Jahr 2023 lag in Deutschland bei 13,1 % der Erwachsenen eine auffällige Belastung durch Angstsymptome vor. Mit 15,0 % waren Frauen häufiger betroffen als Männer (11,0 %). Bei den Frauen zeigte sich im Altersverlauf eine abnehmende Prävalenz: Während 25,9 % der 18- bis 29-jährigen Frauen eine auffällige Belastung durch Angstsymptome hatten, waren es 16,2 % bei den 30- bis 44-Jährigen, 15,0 % bei den 45- bis 64-Jährigen sowie 8,0 % bei den 65- bis 79-Jährigen und 9,8 % bei den 80-Jährigen und Älteren. Bei Männern zeigte sich dieses Muster im Altersverlauf nicht, sondern lediglich eine niedrigere Prävalenz bei den 65- bis 79-Jährigen. Es ließ sich ein deutlicher sozialer Gradient nach Bildung beobachten, wobei Personen der niedrigen Bildungsgruppe am häufigsten von einer auffälligen Belastung durch Angstsymptome betroffen waren (16,6 %), gefolgt von Personen der mittleren (13,3 %) und der hohen Bildungsgruppe (8,2 %). Bei Männern war dieser Gradient auch feststellbar, bei Frauen unterschieden sich bei Altersstandardisierung alle Bildungsgruppen voneinander, ohne Standardisierung nur die hohe von den beiden niedrigeren Bildungsgruppen. Gegenüber dem Jahr 2022 waren keine statistisch bedeutsamen Prävalenzunterschiede festzustellen.

Fazit

Etwas mehr als jede siebte erwachsene Person zeigte im Jahr 2023 eine auffällige Belastung durch Angstsymptome. Während sich keine Prävalenzunterschiede zwischen den Jahren 2022 und 2023 zeigten, verweist eine engmaschigere Betrachtung des Verlaufs der Belastung durch Angstsymptome –  einsehbar im Dashboard der Mental Health Surveillance – seit 2021 insgesamt auf Schwankungen während der COVID-19 Pandemie und innerhalb der Jahre 2022 und 2023 sowie auf eine deutliche Zunahme gegenüber 2021 (Walther et al. 2023). Vor dem Hintergrund der hohen Prävalenz und Krankheitslast von Angststörungen sind Maßnahmen zur Förderung und zum Schutz der psychischen Gesundheit der Bevölkerung, insbesondere bei jungen Frauen sowie Personen der niedrigen Bildungsgruppe angezeigt. Die größere Verbreitung einer auffälligen Belastung durch Angstsymptome in diesen Bevölkerungsgruppen zeigt die Notwendigkeit auf, besondere Belastungskonstellationen zu identifizieren und Gesundheitsförderung und verhältnispräventive Maßnahmen zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen soziallagenbezogen zu gestalten (Kirkbridge et al. 2024).

Methodik und Datenquellen

Definition

Der Indikator Angstsymptome: Prävalenz ist definiert als der Anteil der Erwachsenen mit einer auffälligen Belastung durch Angstsymptome in den letzten zwei Wochen gemäß Fragebogen.

Operationalisierung

Die Erfassung von zwei Angstsymptomen in der Bevölkerung basiert auf Selbstangaben der Befragten und wird mit dem standardisierten Kurzinventar „Generalized Anxiety Disorder-2“ (GAD-2) erfasst (Kroenke et al. 2007):

GEDA 2022 und GEDA 2023

  • „Wie oft fühlten Sie sich im Verlauf der letzten 2 Wochen durch die folgenden Beschwerden beeinträchtigt?“
    • „Nervosität, Ängstlichkeit oder Anspannung“
    • „Nicht in der Lage sein, Sorgen zu stoppen oder zu kontrollieren“
  • Antwortmöglichkeiten jeweils: „Überhaupt nicht“ (Wert 0), „An einzelnen Tagen“ (Wert 1), „An mehr als der Hälfte der Tage“ (Wert 2), „Beinahe jeden Tag“ (Wert 3)
  • Die numerischen Werte der zwei Antworten werden zu einem Skalensummerwert von 0 bis 6 addiert. Das Vorliegen einer auffälligen Belastung durch Angstsymptome wird ab einem Skalensummerwert von mindestens 3 angenommen.

Bezugspopulation

Deutschsprachige Wohnbevölkerung in Privathaushalten ab 18 Jahren in Deutschland.

Datenquelle und Fallzahl

Die Ergebnisse basieren auf folgenden bundesweiten Befragungssurveys des Robert Koch-Instituts:

  • GEDA 2022:
    • telefonische Befragungen mit Festnetz und Mobilfunk, Erhebung unterteilt in Welle 1 bis 10 mit einem Basismodul und bis zu vier Fragebogenmodulen; N = 33.149
    • gültige Werte für den Indikator aus Welle 1 bis 10, Basismodul: n = 32.725
  • GEDA 2023:
    • telefonische Befragungen mit Festnetz und Mobilfunk, Erhebung unterteilt in Welle 11 bis 22 mit einem Basismodul und bis zu vier Fragebogenmodulen; N = 30.002 (relevante Teilstichprobe Welle 11 bis 13, Basismodul und Welle 14 bis 22, Modul 3: n = 20.969)
    • gültige Werte für den Indikator aus Welle 11 bis 13, Basismodul und Welle 14 bis 22, Modul 3: n = 20.776

Datenqualität

Die RKI-Befragungssurveys liefern repräsentative Ergebnisse für die deutschsprachige Wohnbevölkerung Deutschlands ab 18 Jahren in Privathaushalten. Wie bei allen bevölkerungsbezogenen Studien ist davon auszugehen, dass einige Personengruppen unterrepräsentiert sind, wie Personen der niedrigen Bildungsgruppe, Menschen mit Migrationsgeschichte oder Menschen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen. Darüber hinaus basieren alle Informationen auf Selbstangaben und nicht auf ärztlichen Interviews.

Weiterführende Links

Berechnung

  • Beschreibung und Stratifizierung: Für den Indikator werden die Kennzahlen für Gesamt sowie nach Geschlecht, Alter, Region und Bildung ausgewiesen. In den GEDA-Wellen 2009 bis 2014/2015-EHIS wurden die Teilnehmenden gefragt, ob sie männlich oder weiblich sind. Seit GEDA 2019/2020-EHIS werden das Geburtsgeschlecht und die geschlechtliche Identität erhoben (Pöge et al. 2022). In den Analysen nach Geschlecht werden Personen ausgewiesen, die sich als weiblich oder männlich identifizieren. Genderdiverse Menschen, die sich diesen Kategorien nicht zuordnen, werden aufgrund der geringen Fallzahl nicht gesondert ausgewiesen, sind jedoch in der Gesamt-Kategorie enthalten. Die Darstellung nach Region basiert auf dem Wohnort der Befragten. Der Bildungsstatus wird anhand des CASMIN-Indexes bestimmt (Brauns et al. 2003). Dieser verwendet Angaben zu schulischer und beruflicher Bildung und ermöglicht die Einteilung in eine niedrige, mittlere und hohe Bildungsgruppe.
  • Umgang mit unsicheren Werten: Voraussetzung für die stratifizierte Darstellung eines Indikators ist, dass die Fallzahl in der Gruppe mindestens 5 beträgt und die statistische Unsicherheit in der Schätzung der Kennziffer als akzeptabel angesehen wird (Konfidenzintervall schmaler als 25 Prozentpunkte und Variationskoeffizient ≤ 33,5 %). Letzteres bedeutet, dass die untere Grenze des Konfidenzintervalls mindestens die Hälfte des Schätzers betragen muss. Sind diese Kriterien nicht erfüllt, werden die Werte nicht berichtet („zu wenige Daten“). Berichtet, jedoch als unsicher markiert, werden Werte, die auf weniger als 10 Fällen basieren, deren Konfidenzintervall breiter als 20 Prozentpunkte ist oder wenn die Untergrenze weniger als ⅔ des Schätzers beträgt (Variationskoeffizient ≤ 16,6 %). Aufgrund der Unsicherheit sollten diese Werte mit Vorsicht interpretiert werden.
  • Gewichtung: Um Abweichungen der Surveys von der zugrundeliegenden Bezugspopulation durch unterschiedliche Teilnahmebereitschaft oder Auswahlwahrscheinlichkeit zu korrigieren, wurde für die Berechnung des Indikators in jedem Survey ein Gewichtungsfaktor verwendet. Diese berücksichtigen die Ziehungswahrscheinlichkeit der Teilnehmenden und passen außerdem die Surveys an die Bevölkerungsstruktur Deutschlands hinsichtlich Geschlecht, Alter, Bundesland und Bildung an. Dabei wurden die Daten des Statistischen Bundesamts zum Stichtag 31.12.2021 (GEDA 2022, GEDA 2023) verwendet. Die Bildungsverteilung wurde dem Mikrozensus 2018 (GEDA 2022, GEDA 2023) entnommen.
  • Altersstandardisierung: Eine Standardisierung nach Alter und Geschlecht wurde innerhalb der Bundesländer sowie innerhalb der Bildungsgruppen durchgeführt. Dazu wurde die europäische Standardbevölkerung 2013 verwendet. Es werden sowohl die Ergebnisse mit als auch die Ergebnisse ohne Altersstandardisierung ausgewiesen. Die Ergebnisse ohne Altersstandardisierung bilden die tatsächliche Alters- und Geschlechtsverteilung innerhalb der Bundesländer bzw. Bildungsgruppen ab und sind damit zum Beispiel geeignet, um Fragen des Versorgungsbedarfs zu beantworten. Bei den Ergebnissen mit Altersstandardisierung sind die Bundesländer und die Bildungsgruppen hinsichtlich Alter und Geschlecht vergleichbar. Dadurch können Unterschiede aufgezeigt werden, die sich nicht durch Alter und Geschlecht erklären lassen.
  • Berechnung:
    • Konfidenzintervalle: Die zufallsbedingte Variabilität der Ergebnisse kann den 95 %-Konfidenzintervallen in den Tabellen und Abbildungen entnommen werden. Die Konfidenzintervalle wurden mit der Logit-Methode berechnet. Dabei wurde die Streuung der Gewichtungsfaktoren berücksichtigt.
    • Regionale Unterschiede: Statistisch signifikante Unterschiede zwischen den Regionen und dem Bundesdurchschnitt wurden mittels Chi-Quadrat-Test unter Adjustierung für multiples Testen ermittelt. Dabei wurden die einzelnen Regionen im Vergleich zu den jeweils verbleibenden Regionen (zusammengefasst) getestet. Die Einteilung in der Karte erfolgt anhand von fünf äquidistanten Kategorien.  

Publikationen zum Thema

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Der erste Teil des Schwerpunktberichts enthält Daten, Informationen und Studienergebnisse zur psychischen Gesundheit der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland. Er hat den Fokus auf Depression und kognitiver Leistungsfähigkeit. Hierbei handelt es sich um Bereiche der psychischen Gesundheit, die in einer sich stetig wandelnden Lebens- und Arbeitswelt von besonderer Bedeutung sind. Auf der Basis von …