Depression: Administrative Prävalenz (ab 18 Jahre) (Depression)

Depressionen sind definiert durch Niedergeschlagenheit, Verlust von Interesse und Freude und schnelle Ermüdbarkeit in Verbindung mit weiteren Symptomen wie verändertem Schlaf- und Essverhalten, veränderter Psychomotorik, Konzentrationsproblemen, Selbstzweifeln bis hin zu Suizidgedanken. Diese Beschwerden sind weit verbreitet und werden stark durch belastende Lebensereignisse oder -umstände beeinflusst (Lund et al. 2018). Da Depressionen die Lebensqualität, Funktionsfähigkeit und Teilhabe einschränken, sind sie durch eine hohe individuelle und gesellschaftliche Krankheitslast gekennzeichnet. Sie treten häufig gemeinsam mit anderen psychischen Störungen und körperlichen Erkrankungen auf. In Verbindung mit diesen Komorbiditäten sowie in Zusammenhang mit Suizidalität sind Depressionen mit einem erhöhten Sterberisiko assoziiert (RKI 2021).

Der Anteil der gesetzlich Versicherten, bei denen die Diagnose einer Depression in der ärztlichen und psychotherapeutischen Versorgung dokumentiert wurde, wird als administrative Prävalenz oder auch Diagnoseprävalenz bezeichnet. Sie wird davon beeinflusst, dass nicht alle Betroffenen professionelle Hilfe aufsuchen (Nübel et al. 2019) und Depressionen im Gesundheitssystem sowohl übersehen als auch überdiagnostiziert werden (Mitchell et al. 2009).

Schon gewusst?

(Depression)

16,7 % der Erwachsenen erhielten im Jahr 2023 die Diagnose einer Depression in der ambulanten Versorgung.

(Depression)

25,7 % der 60- bis 69-jährigen Frauen erhielten die Diagnose einer Depression; damit war die Prävalenz in dieser Bevölkerungsgruppe am höchsten

(Depression)

Zwischen den Jahren 2022 und 2023 stieg die administrative Prävalenz von Depression bei unter 40-Jährigen stärker an als bei älteren Menschen.

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Ergebnis

Im Jahr 2023 erhielten in Deutschland 16,7 % der Erwachsenen die Diagnose einer Depression in der ambulanten Versorgung. Bei Frauen lag der Anteil mit 20,2 % höher als bei Männern (12,6 %). Im Vergleich der Altersgruppen fiel die administrative Prävalenz von Depression bei den unter 30-Jährigen am geringsten aus (10,0 %), in der Altersgruppe der 60- bis 69-Jährigen am höchsten (21,5 %). Auch zwischen den Bundesländern unterschieden sich die Werte: Am höchsten lagen sie bei Frauen in Berlin (22,7 %) und bei Männern in Hamburg (14,8 %), am niedrigsten in Sachsen (Frauen: 18,6 %, Männer: 10,2 %).

Im Zeitverlauf nahm die administrative Prävalenz von Depression zwischen den Jahren 2012 (14,4 %) und 2023 zu. Der höchste Zuwachs gegenüber dem Vorjahr fand in 2014 statt. Die aktuellen Entwicklungen im Jahr 2023 sind, nach zwischenzeitlichen Schwankungen, von einem erneuten Zuwachs gekennzeichnet, der bei Erwachsenen unter 40 Jahren stärker als in den anderen Altersgruppen ausfiel. Über die gesamte Zeitspanne von 2012 bis 2023 fiel die Veränderung der administrativen Prävalenz von Depression bei Männern (+ 2,7 Prozentpunkte bzw. + 27,1 %) stärker aus als bei Frauen (+ 2,4 Prozentpunkte bzw. + 13,6 %). Unter den Altersgruppen verzeichneten die 60- bis 69-Jährigen den höchsten absoluten Zuwachs, die unter 30‑Jährigen den stärksten relativen Zuwachs. Unter den Bundesländern zeigte Sachsen-Anhalt die stärkste Zunahme und Bayern die geringste.

Fazit

Mit einer administrativen Prävalenz von 16,7 % im Jahr 2023 stellt Depression eine häufige Diagnose in der ambulanten Versorgung dar, auch gegenüber anderen psychischen Störungen (Thom et al. 2024). Eine stetige Zunahme der administrativen Prävalenz von Depression wurde bereits ab dem Jahr 2009 beobachtet (Steffen et al. 2020), seit 2018 unterlagen die Trends Schwankungen. Als Ursachen der Entwicklungen werden Veränderungen des Hilfesuchverhaltens von Betroffenen sowie der Diagnose- und Kodierpraxis von Behandelnden diskutiert, auch im Kontext einer Entstigmatisierung von Depression. Die Belastung der Bevölkerung durch depressive Symptome ist dabei erst in jüngerer Zeit (2022 – 2023) deutlich angestiegen. Sie schlägt sich möglicherweise in der zuletzt beobachtbaren Zunahme von Depressionsdiagnosen bei jüngeren Erwachsenen nieder. Bislang wurden die insgesamt hohe Zahl von Depressionsdiagnosen und ihre Altersverteilung infrage gestellt (Grobe et al. 2019), wobei aktuelle Vergleichsdaten fehlen. Um Depression im Sinne des nationalen Gesundheitsziels (BMG 2006) besser verhindern, erkennen und behandeln zu können, wäre eine hohe Verlässlichkeit administrativer Diagnosen von Vorteil.

Methodik und Datenquellen

Definition

Der Indikator Depression: Administrative Prävalenz ist definiert als der Anteil der gesetzlich versicherten Erwachsenen mit Inanspruchnahme der ambulanten Versorgung, bei denen im jeweiligen Jahr einmalig oder mehrmals die Diagnose einer Depression in der ambulanten Versorgung dokumentiert wurde (ICD-10-Code: F32, F33, F34.1).

Bezugspopulation

Alle gesetzlich versicherten Erwachsenen mit Inanspruchnahme der ambulanten Versorgung (in 2023 etwa 60,7 Millionen).

Datenquelle und Fallzahl

Bundesweite vertragsärztliche Abrechnungsdaten nach § 295 SGB V aller gesetzlich krankenversicherter Personen, die in den jeweiligen Jahren vertragsärztliche einschließlich vertragspsychotherapeutische Leistungen in Anspruch genommen haben (Versorgungsatlas.de 2024). Der Datensatz des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland (Zi) umfasste 2012 eine Gesamtzahl von 57,6 Millionen und 2023 von 60,7 Millionen erwachsene Personen.

Weiterführende Links

Datenqualität

Der Datensatz enthält Diagnosen aus der ambulanten vertragsärztlichen und vertragspsychotherapeutischen Versorgung. Nicht als Fall erfasst werden damit Personen, die ausschließlich in der stationären oder selektivvertraglichen Versorgung oder der ambulanten Behandlung im Krankenhaus eine Depressionsdiagnose erhalten haben. In der Bezugspopulation sind gesetzlich Versicherte ohne Inanspruchnahme vertragsärztlicher Leistungen nicht enthalten. Beide Limitationen haben jedoch nur geringfügige Auswirkungen auf die Prävalenzschätzung für Depressionsdiagnosen (Grobe und Frerk 2024). Grundsätzlich in den Daten nicht berücksichtigt werden Personen, die nicht gesetzlich versichert sind (2022: 12,1 %) (Destatis 2024).

Berechnung

  • Beschreibung: Quotient aus der Anzahl der gesetzlich versicherten Erwachsenen mit ambulanter Diagnose einer Depression und der Anzahl der gesetzlich versicherten Erwachsenen mit Inanspruchnahme der ambulanten Versorgung.
  • Stratifizierung: Die Darstellung nach Bundesland basiert auf dem Wohnort der Versicherten.
  • Altersstandardisierung: Mit der europäischen Standardbevölkerung 2013 als Bezugspopulation erfolgte eine Standardisierung nach Alter und Geschlecht unter Verwendung von 18 – 19 Jahre sowie anschließend von 5-Jahres-Altersgruppen ab 20 – 24 Jahre bis 85 – 89 Jahre sowie ≥ 90 Jahre.

Publikationen zum Thema

Entwicklung der Diagnoseprävalenz psychischer Störungen 2012–2022

31.05.2024, Fachartikel, Deutsch

Hintergrund: In Auswertungen von Krankenkassen zeigt sich für die Diagnoseprävalenz psychischer Störungen eine Zunahme, deren Niveau und Umfang variieren. Im Rahmen von Mental Health Surveillance sollen Trends kassenübergreifend und differenziert nach verschiedenen Diagnosegruppen, Geschlecht und Alter sowie vor und während der COVID-19-Pandemie beschrieben werden.

Methode: In bundesweiten …

Übereinstimmung von Diagnoseangaben in Befragungs- und GKV-Routinedaten

15.05.2024, Fachartikel, Deutsch

Hintergrund: Die Häufigkeit ärztlicher Diagnosen (Diagnoseprävalenz) ist ein zentraler Kennwert in Epidemiologie und Versorgungsforschung. Ihre Schätzung fällt je nach Datengrundlage heterogen aus. Einem besseren Verständnis der Diskrepanzen dient die personenbezogene Verknüpfung von Befragungs- und GKV-Routinedaten.

Methode: Für 6 558 erwachsene Versicherte der BARMER wurden die individuellen …

Trends in prevalence of depression in Germany between 2009 and 2017 based on nationwide ambulatory claims data

15.06.2020, Fachartikel, English

Background: Studies based on health insurance funds unanimously indicate a rise in administrative prevalence of depression, while population surveys with standardized diagnostic procedures do not. We describe recent trends in the prevalence of depressive disorders as diagnosed in routine care from 2009-2017 in Germany.

Methods: We used nationwide ambulatory claims data from all residents with …

Prävalenzen von Depressionen bei Erwachsenen – eine vergleichende Analyse bundesweiter Survey- und Routinedaten

01.12.2019, Fachartikel, Deutsch

Ziel der Studie: Prävalenzschätzungen für Depression zeigen in Primär- vs. Sekundärdaten divergente Ergebnisse. Ursachen liegen u. a. in der Betrachtung verschiedener Indikatoren zu abweichenden Zeitpunkten. In der vorliegenden Arbeit werden Depressionshäufigkeiten in Survey- und Routinedaten für einen vergleichbaren Erhebungszeitraum und Altersbereich ermittelt. Unterschiede zwischen den …

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